Basisdiagnostik bei Schwindel
Um zu erfahren, was jenseits des Flusses liegt, müssen Sie zuerst über die Brücke gehen. Die Innenohrerkrankungen liegen etwa einem Drittel aller Schwindelfälle zugrunde. Um Ihr Leiden dem HNO-Bereich Otoneurologie zuordnen zu können, muss Ihr/e Arzt/Ärztin als Erstes die Basisabklärung durchführen.
Ablauf der Basisdiadnostik bei Schwindel
1. Anamneseerhebung:
- Sie werden in Bezug auf die Charakteristiken des Schwindels, seine Dauer und Verlauf sowie Begleitsymptomatik befragt. Bitte füllen Sie nach Möglichkeit bereits vor dem Arzttermin den Schwindelfragebogen und das Schwindeltagebuch (das Letzte über mindestens eine Woche) aus.
- auch die bisherige Therapie des Schwindels sowie Ihre Dauermedikation sind anzugeben. Bringen Sie bitte Ihren Medikationsplan und ggf. falls solcher fehlt, die Verpackungen Ihrer Medikamente mit.
- falls eine Bildgebung vom Hals- oder Kopfbereich (Computertomographie oder Kernspintomographie/MRT) bereits erfolgt sind, bringen Sie bitte die Befunde, den Datenträger oder den Online-Zugang für die Bilderbetrachtung mit.
- falls bestimmte diagnostische und/oder therapeutische Schritte in Bezug auf Ihre Schwindelbeschwerden bereits in der Vergangenheit erfolgt sind, bringen Sie bitte, falls verfügbar, die Befunde/Arztbriefe mit.
- wenn Sie bereits am Kopf oder Hals operiert sind, bringen Sie bitte, falls verfügbar, entsprechende Befunde/Arztbriefe ebenfalls mit.
2. Untersuchung der Blickmotorik
Durch zahlreiche Verbindungen mit dem peripheren und dem zentralen Gleichgewichtsorgan liefern die Augen wichtige Informationen über das Aufrechterhalten des Körpers. Sie stellen einen „Spiegel“ Ihres Gleichgewichtsorgans dar. Die Augenuntersuchung wird zuerst durch den/die HNO-Arzt/-in und evtl. bei Bedarf dann auch durch den/die Augenarzt/-in durchgeführt.
Die Augenbewegungen werden in Ruhe und beim Verfolgen eines sich bewegenden Gegenstandes überprüft.
Unwillkürliche, entweder in Ruhe oder unter Provokation auftretende rhythmische Augenbewegungen (Nystagmus), werden ohne und mit einer speziellen Brille (Frenzel-Brille) untersucht. Es wird versucht, einen Nystagmus durch Kopfschütteln, eine schwindelauslösenden Körperposition sowie durch Änderungen der Körperlage auszulösen.
Mögliche Augapfelbeweglichkeitsstörungen werden durch Abdecken von einem Auge ausgeschlossen.
3. Untersuchung der Spinalmotorik
Beim Aufrechterhalten unseres Körpers spielt die Kombination der Impulse von den Augen-, Muskel- und Sehnenrezeptoren sowie vom Gleichgewichtsorgan, die an das zentrale Nervensystem (ZNS) vermittelt werden, eine zentrale Rolle. Durch die Prüfung der Körpermotorik ist es möglich, bestimmte Funktionsstörungen des Gleichgewichtsorgans zu entdecken:
- durch spezielle Proben im Stehen wird die Fähigkeit geprüft, das Gleichgewicht in Ruhe aufrechtzuerhalten
- durch weitere Proben im Gehen/Marschieren wird die Fähigkeit geprüft, das Gleichgewicht bei der Bewegung aufrechtzuerhalten
Die Prüfung der motorischen Koordination der Hände liefert uns zusätzliche Informationen für die Differenzialdiagnostik der Gleichgewichtsstörungen.
4. Untersuchung der lateralen Bogengänge durch thermische Reizung (kalorische Probe)
Das Gleichgewichtsorgan erkennt die Drehbeschleunigungen unseres Körpers in allen drei Ebenen durch die Reizung der Rezeptoren, die sich in den drei Bogengängen jedes Innenohrs befinden. Die Bogengänge liegen auch in drei Ebenen und jeder ist für die Wahrnehmung der Drehbeschleunigungen in der entsprechenden Ebene zuständig. Die Mehrheit unserer Bewegungen findet in der Horizontalebene statt und wird durch den lateralen (seitlichen) Bogengang kontrolliert. Deswegen ist die Prüfung des lateralen Bogengangs ein obligater Bestandteil der Gleichgewichtsprüfung. Der Bogengang ist mit einer Flüssigkeit, die als Endolymphe bezeichnet wird, gefüllt. Der durch eine Beschleunigung ausgelöste Fluss der Endolymphe ist genau der Auslöser des Rezeptorenreizung. Bei Erwärmung oder Kühlung des äußeren Gehörganges im Rahmen der kalorischen Probe wird Endolymphe ebenfalls durch eine termisch bedingte Dehnung oder Kompression in Bewegung gesetzt und löst die Reizung der Gleichgewichtsrezeptoren aus.
Durchführung der kalorischen Probe
Sie nehmen Platz auf einer Liege mit erhobenem Kopfende, so dass die Kopflängsachse in einem Winkel von 30 Grad zur Horizontalebene sich befindet. In dieser Position kommen die lateralen Bogengänge auf beiden Seiten in senkrechte Position. Anschließend wird Ihnen eine spezielle Brille aufgesetzt, die Ihre Augenbewegungen mit eingebauten Mikrokameras aufnimmt. Um den Einfluss der äußeren Störfaktoren auszuschließen, erfolgt die Aufnahme der Augenbewegungen immer im Dunklen - dafür wird eine Blende in die Brille eingesetzt. Sie sollen dabei die Augen immer offenhalten und gerade schauen. Evtl. leuchtet ein kurzes Lichtsignal auf, das Ihnen bei der Orientierung hilft.
Zuerst werden die Augenbewegungen ohne Bogengangreizung aufgenommen.
Anschließend erfolgt die Gabe von bis 47 Grad Celsius aufgewärmter Luft unter niedrigem Druck in jeden Gehörgang jeweils über eine Minute und die auf diese Weise ausgelösten Augenbewegungen werden anschließend aufgenommen. Im Anschluss erfolgt ein identisches Vorgehen mit bis 27 Grad Celsius gekühlter Luft.
Normalerweise beobachtet man an einem mit der Brille verbundenen Computer bei der kalorischen Probe einen Nystagmus - unwillkürliche rhythmische Augenbewegungen.
Ein kurzzeitiger Schwindel und eine leichte Übelkeit während dieses Tests gehen sehr schnell vorbei und sollen von Ihnen eher positiv aufgenommen werden – Ihr Gleichgewichtsorgan funktioniert!
Ein Nystagmus wird dadurch ausgelöst, dass Endolymphe im Bogengang durch Wärme oder Kälte in Bewegung gesetzt wird und die Gleichgewichtsrezeptoren im Bogengang reizt.
Durch die Auswertung der Nystagmus-Zahl und -Geschwindigkeit kann die Aussage getroffen werden, in welchem Maße die lateralen Bogengänge funktionieren und ob die Funktion seitengleich ist. Dafür steht im Computerprogramm ein spezielles Diagramm zur Verfügung.